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Pressemitteilung
27. 3. 1998

 

Der Forschungsreaktor Garching (FRM-II) birgt das Risiko katastrophaler Strflle

NCI appelliert an die Umweltminister Merkel und Goppel, den Bau des Reaktors zu stoppen, da der vorgesehene Kernbrennstoff nie getestet worden ist

Bonn -- Das Nuclear Control Institut (NCI), Washington, forderte heute einen Baustopp fr den Forschungsreaktor Mnchen II (FRM-II) der Technischen Universitt Mnchen in Garching, weil mit dem dafr vorgesehenen Kernbrennstoff nicht die Tests durchgefhrt worden sind, die erforderlich sind, um das Risiko katastrophaler Unflle zur verringern.

In einem Schreiben an den Bayerischen Umweltminister Thomas Goppel, dessen Behrde Ende letzten Jahres die zweite Teilerrichtungsgenehmigung fr den Reaktor erteilt hatte, weist das Institut darauf hin, da der Weiterbau des Reaktors bei Verzicht auf Tests mit dem Brennelement die Gefahr einer Kernschmelze mit verheerender Freisetzung von Radioaktivitt in die Umwelt in sich berge.

Das NCI wrtlich: „Es ist ein nicht hinnehmbares, rcksichtsloses Verhalten, auf Sicherheitstests fr den Brennstoff zu verzichten, nur weil solche Tests aufwendig sind und zu Verzgerungen beim Bau des Reaktors fhren. Ein verantwortungsvolles Vorgehen wre, die Genehmigung und den Bau des Reaktors zu verschieben, um ausreichend Zeit fr die erforderlichen Tests zu gewinnen. Das ist besser als vorzupreschen mit dem Bau und dem Betrieb eines Reaktors, bei dem ein nicht getesteter Kernbrennstoff zu einem katastrophalen Unfall fhren kann."

Das NCI warnte die bayerische Genehmigungsbehrde davor, allgemein anerkannte, internationale Genehmigungsgrundstze zu verletzen: "Es ist uerst ungewhnlich und vermutlich ein Przedenzfall, da ein atomarer Forschungsreaktor mit erheblicher Leistung genehmigt wird, ohne da vorher Sicherheitstests mit dem dafr vorgesehenen Brennstoff durchgefhrt worden sind," heit es in Brief des NCI an den bayerischen Umweltminister Goppel, der vom Prsidenten des Instituts, Paul Leventhal, dem wissenschaftlichen Leiter des Instituts, Dr. Edwin Lyman, und von Alan Kuperman, politischer Berater, unterzeichnet ist.

Das NCI forderte heute in Bonn die Bundesregierung auf, ihre Bundeskompetenzen gegenber der bayerischen Landesregierung in drei Punkten wahrzunehmen. Erstens, so da NCI, sei die Politik zur Nichtverbreitung von Kernmaterial ausschlielich die Verantwortung des Auenministeriums, das darauf bestehen msse, da die TU Mnchen kein waffenfhiges Uran verwende und damit gegen die internationale Norm gegen den Einsatz dieses Kernwaffenmaterials verstoe und die Bemhungen, das russische Waffenuran unter Kontrolle zu halten, untergrabe. Zweitens finanziere die Bundesregierung den Reaktor etwa zur Hlfte, so da Bonn eine Mitverantwortung dafr habe, da ausreichende Sicherheits- und Nichtverbreitungsstandards eingehalten wrden. Drittens habe die Bundesregierung nach deutschem Recht die Atomaufsicht ber die Landesregierung und sei fr ausreichende Reaktorsicherheit verantwortlich. „Wenn der bayerische Umweltminister Goppel keinen sofortigen Baustopp in Garching anordnet," so das NCI heute in Bonn, „ dann mu Bundesumweltministerin Angela Merkel ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen und ihn dazu anweisen".

Das NCI erneuerte seine Aufforderung an die Technische Universitt Mnchen, ganz auf den beabsichtigten Einsatz von waffenfhigem Brennstoff zu verzichten und warnte die Garchinger Wissenschaftler davor, sich dem "Lauf der Geschichte" abseits jeglichen gesunden Menschenverstandes entgegen zu stellen. Das NCI wies dabei auf eine internationale Norm hin, die in den letzten 20 Jahren zu einem deutlichen Rckgang der Verwendung von hoch angereichertem Uran (HEU fr englisch highly enriched uranium) gefhrt habe.

Dutzende von Forschungreaktoren seien weltweit bereits auf nicht waffenfhiges, niedrig angereichertes Uran umgestellt oder htten mit der Umstellung begonnen. Seit 1978 seien in der ganzen Welt nur zwei grere atomare Forschungsreaktoren gebaut worden, in denen hoch angereichertes Uran verwendet werde - in China und in Libyen. In der gleichen Zeit seien wenigstens 12 andere Reaktoren gebaut worden, die mit niedrig angereichertem Uran laufen. Und vor kurzem erst htten China und Frankreich angekndigt, da ihre nchsten Forschungsreaktoren mit niedrig angereichertem Uran betrieben werden sollen. Bereits 1995 htten die USA die Plne fr ihren neuen Reaktor aufgegeben, fr den die Verwendung von hoch angereichertem Uran geplant gewesen sei. Diese Entwicklung widerlegten die Behauptung der TU Mnchen, es gbe ein "Recht" auf Verwendung von waffenfhigem Uran. Auerdem bewiesen sie, da die internationale Praxis eindeutig auf die vollstndige Abschaffung von solchem Reaktorbrennstoff hinausluft.

Nach den Ausfhrungen des NCI begrndet die Verwendung von waffenfhigem Uran Gefahren der nuklearen Proliferation und des nuklearen Terrorismus. Das werde ganz deutlich an der krzlich erfolgten Ankndigung einer Rahmenvereinbarung zwischen Deutschland und Moskau, wonach Ruland mehr als 1.000 kg waffentaugliches Uran nach Deutschland exportieren will. In einer Zeit - so das Institut - in der zahlreiche Staaten sich bemhten, zu verhindern, da waffenfhiges Material aus dem militrischen Bestnden Rulands fr zivile Zwecke verwendet werde, ermutige ein deutsch-russisches Geschft Moskau dazu, HEU als wertvolles Exportgut anzusehen. Das NCI weist darauf hin, da der Verlust oder die Abzweigung auch nur einer geringen Menge dieses Materials ausreichen wrde fr eine Atomwaffe in der Hand von Terroristen oder von Leuten wie Saddam Hussein und Muammar al-Gadhafi. Der FRM-II werde whrend seiner Betriebszeit etwa 1,2 Tonnen dieses Materials bentigen, genug fr mehr als 100 Atomsprengstze.

Der nicht getestete Brennstoff, um den es im Brief des NCI an Minister Goppel geht, ist hochangereicherter, hoch verdichteter Uran-Silizid-Brennstoff. Dieser Brennstoff mit hoher Spaltstoffdichte war ursprnglich in den USA entwickelt worden, ist aber nie in einem Reaktor getestet oder eingesetzt worden. Trotzdem plant die TU Mnchen, da 80 Prozent des Reaktorkerns des FRM-II aus diesem ungetesteten Brennstoff bestehen soll.

Obwohl es geeignete Reaktoren gebe, in denen diese Brennstofftests durchgefhrt werden knnen, fhrt die TU Mnchen statt dessen andere Tests mit niedrig verdichtetem, hoch angereichertem Uran durch, das aber nur 20 Prozent des Reaktorkerns im FRM-II ausmachen wird. Diese Tests reichen nicht, teilte das NCI mit, denn der ungetestete Brennstoff mache den wesentlichen Bestandteil des neuartigen Reaktorkerns des FRM-II aus. Er habe weniger Aluminiumbestandteile, die den Zusammenhalt des Brennstoffs garantieren. Stattdessen sei mehr Uran im Brennstoff enthalten. Das fhre zu einer konzentrierteren Hitzeproduktion und damit auch zu einem greren Risiko, da der Reaktorkern schmilzt und eine Katastrophe auslst.

Das NCI fhrt aus, da allen Bedenken hinsichtlich der Reaktorsicherheit ("safety") und der Materialsicherung ("security") Rechnung getragen werden knne, wenn man den FRM-II auf einfache Weise umplanen und bereits erprobten nicht-waffenfhigen Brennstoff aus niedrig angereichertem Uran einsetzen wrde. Das NCI zitierte eine neue Studie, die erst Ende letzten Jahres von Wissenschaftlern des Argonne National Laboratory (Illinois/USA) verffentlicht wurde. Darin sei nachgewiesen worden, da mit einem solchen umkonstruierten Reaktor auf der Basis von getestetem niedrig angereichertem Brennstoff die gleiche Leistungsfhigkeit fr wissenschaftliche Experimente erreicht werden knnte, die die Garchinger Wissenschaftler mit dem ungetesteten, waffenfhigen Brennstoff erreichen wollen.

Leventhal und Kuperman, die den Brief des NCI an das Bayerische Umweltministerium auf einer Pressekonferenz in Mnchen verffentlicht haben, schlieen Ihre Ausfhrungen mit folgendem Vorschlag an die Adresse der Bayerischen Staatsregierung: „Umweltminister Goppel kann die Gefahren der nuklearen Proliferation, des nuklearen Terrorismus und das Risiko einer Nuklearkatastrophe infolge eines Reaktorunfalls in einem einzigen Schritt abwenden - ohne da er die Forschungsmglichkeiten der TU beeintrchtigt. Er sollte darauf drngen, da die Garchinger Wissenschaftler den Reaktor umkonzipieren und bereits getestetes, niedrig angereichertes, nicht waffentaugliches Uran verwenden. Jede andere Entscheidung wrde unntigerweise Gefhrdungen mit sich bringen, dies sowohl lokal fr die Anwohner als auch global fr die Weltgemeinschaft."

NCI

Der Brief an Minister Goppel befindet sich in der Anlage. Die anderen erwhnten Materialien knnen auf Anfrage zur Verfgung gestellt werden oder sind vorhanden unter http://www.nci.org/heu.htm




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